Dienstag, 1. Oktober 2013

So sieht es aus, wenn ein Staatsoberhaupt das Problem verstanden hat und handelt!

Rede von brasiliens Präsidentin 'Dilma Rousseff vor der Uno zum Überwachungsproblem


Sehr geehrter Herr Präsident,
ich möchte das Augenmerk der Delegationen auf eine Angelegenheit von hoher Bedeutung und großem Gewicht
lenken. Jüngste Enthüllungen über die Aktivitäten eines globalen Netzwerkes elektronischer Spionagetätigkeiten
haben weltweit für Empörung und Ablehnung in der öffentlichen Meinung gesorgt. In Brasilien war die Situation
noch gravierender, da sich zeigte, dass der Eingriff bei uns sehr gezielt stattfand. Persönliche Daten der Bürger
wurden wahllos abgefangen. Informationen von Wirtschaftsunternehmen - oft von hohem wirtschaftlichen und
sogar strategischem Wert - standen im Zentrum der Spionagetätigkeit. Überdies wurde die Kommunikation
diplomatischer Einrichtungen Brasiliens abgefangen - darunter die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen
und das Büro der Präsidentin von Brasilien selbst.
Eine derartige Manipulation nationaler Angelegenheiten anderer Länder stellt einen Völkerrechtsbruch dar und einen
Affront gegen grundlegende Prinzipien, die die Beziehungen zwischen den Ländern prägen- umso mehr, da es
befreundete Nationen betrifft. Eine souveräne Nation darf ihre Interessen niemals auf Kosten einer anderen
souveränen Nation sichern. Das Recht auf Sicherheit der Bürger des einen Landes darf niemals auf die Verletzung
grundlegender Menschenrechte der Bürger eines anderen Landes gegründet werden.
Die Argumente, dass illegales Abfangen von Informationen und Daten dem Schutz der Völker gegen den
Terrorismus dienten, sind nicht haltbar. Brasilien, Herr Präsident, weiß sich selbst zu schützen. Wir lehnen
Terroristen ab, bekämpfen sie und unterstützen sie in keiner Weise. Wir sind ein demokratisches Land, umgeben
von demokratischen Nationen; wir sind friedliebend und achten das Völkerrecht. Wir leben seit mehr als 140 Jahren
mit unseren Nachbarn in Frieden. Wie viele andere Lateinamerikaner, kämpfte ich seinerzeit gegen autoritäre
Regierungen und Zensur und ich kann nicht anders, als das Recht auf Privatsphäre des Einzelnen und der
Souveränität meines Landes kompromisslos zu verteidigen. Ohne das Recht auf Privatsphäre kann es keine wahre
Meinungs- und Redefreiheit geben und folglich keine echte Demokratie. Ohne die Achtung der Souveränität gibt es
keine Grundlage für die Beziehung zwischen Nationen.
Herr Präsident, wir stehen der Tatsache schwerer Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen gegenüber; wir sehen
uns einer Invasion ausgesetzt, die zum Zweck hat, vertrauliche Informationen über Unternehmensaktivitäten zu
erbeuten - und dies unter Missachtung der nationalen Souveränität. Wir drückten der Regierung der USA unsere
Missbilligung aus und verlangten Erklärungen, Entschuldigungen und Garantien dafür, dass sich diese Aktivitäten
nicht wiederholen.
Friedliche Regierungen und Gesellschaften, die, wie in unserem Fall, eine ehrliche strategische Partnerschaft
aufzubauen suchen, können nicht zulassen, dass rechtswidrige Daueraktionen zur Normalität werden. Das ist nicht
akzeptabel. Brasilien, Herr Präsident, wird seine Anstrengungen verdoppeln, um Gesetze, Technologien und
Mechanismen zu schaffen, die das rechtswidrige Abfangen von Kommunikation und Daten unterbinden. Meine
Regierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Menschenrechte aller Brasilianer zu verteidigen und die
Früchte des Erfindungsreichtums unserer Unternehmer und unserer Arbeitskräfte zu beschützen. Das Problem
jedoch geht über eine bilaterale Beziehung hinaus. Es wirkt sich auf die internationale Gemeinschaft insgesamt aus
und verlangt eine Antwort von ihr. Informations- und Telekommunikationstechnologien dürfen nicht zum neuen
Schlachtfeld zwischen den Staaten werden. Die Zeit ist reif zur Schaffung von Regelungen, die verhindern, dass das
Internet durch Spionage, Sabotage und Angriffe auf Systeme und Infrastrukturen anderer Länder als Kriegswaffe
eingesetzt wird.
Die UN müssen im Bezug auf diese Technologien eine führende Rolle bei den Bemühungen um einen
zwischenstaatlichen Verhaltenskodex spielen. Aus diesem Grund wird Brasilien Vorschläge für die Schaffung eines
zivilen multilateralen Rahmenabkommens machen, um das Betreiben und die Nutzung des Internets und den
wirksamen Schutz von Daten, die durch das Netz reisen, zu gewährleisten. Wir müssen multilaterale Mechanismen
für das Internet schaffen, die in der Lage sind, Prinzipien, wie die folgenden, sicherzustellen:
1.
Die Freiheit der Meinungsäußerung, der individuellen Privatsphäre und die Achtung der
Menschenrechte.
2.
Offener, multilateraler und demokratischer Netzbetrieb, transparent durchgeführt durch die
Förderung kollektiver Kreativität und die Beteiligung von Gesellschaft, Regierungen und dem
Privatsektor.
3.
Allgemeingültigkeit, die die soziale und menschliche Entwicklung und die Errichtung
integrativer und diskriminierungsfreier Gesellschaften gewährleistet.
4.
Kulturelle Vielfalt, ohne die Auferlegung von Überzeugungen, Bräuchen und Werten.
5.
Netzneutralität, nur geprägt von technischen und ethischen Kriterien, die es unzulässig machen,
dass das Netz für politische, wirtschaftliche, religiöse oder andere Zwecke beschränkt werden
kann.
Das gesamte Potenzial des Internets auszuschöpfen erfordert daher eine verantwortliche Regulierung, die
gleichermaßen sowohl die Freiheit der Meinungsäußerung als auch den Schutz und die Achtung der Menschenrechte
garantiert.
Quelle:
NETZPOLITIK.ORG

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