Da bist du nun, im Zeltlager. Umgeben von vielen anderen ,
die dein Schicksal teilen. Klein, schmächtig, schwarzhaarig, Jeans, weiße Turnschuhe,
und ein T-Shirt an, dessen blau sich mit dem Rot des Blutes mischt, das aus
deiner Nase läuft.
Grade raffst du dich auf, weil ein Glatzkopf dich nieder
geschlagen hat. Du fragst dich, was das für Menschen sind, die so etwas tun. Die
dich und einige deiner Leidensgenossen anpöbeln und
schlagen, die dort grölend stehen, mit Schildern, auf denen Parolen stehen, wie
“Das Boot ist voll“, und von Angst demnächst nur noch in der Moschee beten zu dürfen. Von Sorge um ihre Kinder ist da
die Rede und von Wirtschaftsflüchtlingen, „die Deutschen würden verdrängt“ heißt
es.
Und du verstehst es aber nicht, denn willst keinem Kind
etwas tun, und auch niemanden verdrängen. Du bist doch erst Vierzehn, und
verstehst noch nicht mal ihre Sprache richtig. Nur die Paar Brocken, die du
aufgefangen hast. Du bist vor einem entsetzlichen Krieg aus deiner Heimat geflohen.
Deine Eltern und Großeltern kamen dabei um. Nur die große Schwester ist dir
geblieben, und das, was du am Leibe hast. Die meisten deines Heimatdorfes haben
Bomben und der IS getötet.
Alles, was du möchtest, ist leben. Menschenwürdig leben.
Aber nun siehst du verstört und mit blutender, schmerzender
Nase auf diese Leute, und fragst dich, was das für Menschen sind.
Nun, sie nennen sich „besorgte Bürger“, ja auch der, der
dich vorhin getreten hat, der keine Glatze hat, und so normal aussieht. Sie
sorgen sich um die Zukunft des Landes, wie du schon gemerkt hast. Sie sind
besorgt um ihre Kinder, wenn hier Flüchtlinge leben(warum auch immer).“Wir
haben ja nicht s gegen Ausländer, und natürlich muss man die Flüchtlinge
aufnehmen, aber doch nicht hier.“
Du bist verstört, denn du bist vor Krieg, und Gewalt
geflohen, und bist nun wieder Hass und Gewalt ausgesetzt.
Ein Stückchen weiter geht ein Zelt in Flammen auf. Der Mann,
der die Fackel geworfen hat, wirkt wie ein ganz biederer normaler
Familienvater. Er hat durchaus ein freundliches Gesicht. Würde man sich an
einem Sommerabend in der Siedlung begegnen, könnte man sicher ganz nett mit ihm
reden, und sich für später zum Grillen verabreden.
Aber es gibt da auch noch andere, die wirklich nett sind,
die Kleidung, Medikamente, Lebensmittel und Spielsachen ins Camp bringen. Und
dort drüben stehen welche und demonstrieren gegen die „besorgten Bürger“. Sie fordern,
ihr sollt hier willkommen sein, und Nazis Raus stehen auf einigen Schildern. Siehst
du, dort, die, die jetzt von Polizisten zurück gedrängt und zum Teil nieder
geknüppelt werden. Und das verstört dich nur noch mehr.
Aber weißt du, das ist Politik. Den Mächtigen kommt es entgegen, das sich ihre Bürger lieber
an deinesgleichen abarbeiten, als sich mit denen zu beschäftigen, die wirklich
für die Missstände verantwortlich sind. So wahren sie ihre Macht. Darum helfen
sie mit, Vorurteile gegen euch zu schüren.
Von einem Freund hast du gehört, das der Krieg in
deiner Heimat, vor dem du geflohen bist, , von der Regierung dieses Landes
unterstützt wurde, und das dies Land mit die meisten Waffen in diese Region
geliefert hat.Aber die Flüchtlinge , die man auf diese Weise erzeugt hat, wollen
sie jetzt nicht haben?, fragst du dich. Du wärst ja auch lieber in deiner Heimat
geblieben, wenn du gekonnt hättest.
Das Zelt, das angezündet wurde, gehörte einer Gruppe Afrikaner.
Einer von ihnen ist Moussa ,20 Jahre alt. Sein Vater besaß eine kleine
Geflügelzucht, von der sie grade leben konnten. Doch zunehmend wird sein Land
von Billig-Geflügel aus Europa überschwemmt. Mit diesen Preisen konnte er nicht
mehr mithalten, und ging schließlich pleite. So ging es auch vielen anderen in
seinem Land, deren Existenz so zerstört wurde. Sein Land hat ein
Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen ,erzählt er, das ihm verbietet mit
Zöllen die europäischen Waren zu verteuern, und somit fairere Wettbewerbsbedingungen
zu schaffen. Viele sind in diesem Zeltlager, denen es so ging, wenn sie nicht
vor dem Krieg geflohen sind.
Moussas Vater war zu alt für diese Reise. Er aber, beschloss
nach Europa zu gehen, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen, und Geld nach
Hause zu schicken.
Ein halbes Vermögen hatte er einem zwielichtigen Mann
bezahlt, um einen Platz auf einem schäbigen Schiff zu ergattern, das ihn über
das Mittelmeer brachte.
Fast wäre das Schiff gesunken. Dreißig Mann gingen über Bord
und ertranken. Todesängste hat Moussa ausgestanden, so wie du auf deiner Flucht,
an die du dich jetzt wieder erinnerst.
Schließlich kam er in Italien an, und wurde auf Schleichwegen
nach Deutschland gebracht, wofür sie ihm noch fast sein ganzes letztes Geld
abnahmen. Auch ihn hat man schon verprügelt.
Nach solchen Dingen, oder nach den Gründen, warum ihr
fliehen musstet, fragen die „besorgten Bürger“ nicht, denn dann müssten sie die
eigene Regierung hinterfragen, und deren Politik, die dafür sorgt, das so viele
Menschen wie du und Moussa ihre Heimat verlassen müssen.
Das Feuer ist nun verlöscht, die Demonstranten weitgehend
abgezogen. Es kehrt Ruhe ein, aber jetzt kommt ein örtlicher Staatssekretär,
begleitet von einem Fernseh -Team. Er lächelt in die Kamera , und versichert,
das seine Regierungen die Ausschreitungen zutiefst verurteilt. Nein, man wird nicht alle
Flüchtlinge aufnehmen können, und einige werden wieder zurück gehen müssen, aber
man will die Asylverfahren beschleunigen, damit man schneller weiß ,ob man
abgeschoben wird, oder doch bleiben darf.
Ja, da stehst du nun, und bist nicht sicher , ob du nun zur
Schule gehen, und Deutsch lernen sollst, wo du nicht mal weißt , ob du bleiben
darfst oder nicht. Alles was du willst ist leben, das Grauen des Krieges
vergessen und vielleicht eine Zukunft hier. Warum sollte das nicht möglich
sein?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit der Veröffentlichung eines Kommentars erlaube ich Dieser Seite die Speicherung meiner Daten. Für Übersicht über Kommentare und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Du kannst den Kommentar später jederzeit wieder löschen