Mittwoch, 19. August 2015

Der Flüchtlingsjunge

Da bist du nun, im Zeltlager. Umgeben von vielen anderen , die dein Schicksal teilen. Klein, schmächtig, schwarzhaarig, Jeans, weiße Turnschuhe, und ein T-Shirt an, dessen blau sich mit dem Rot des Blutes mischt, das aus deiner Nase läuft.

Grade raffst du dich auf, weil ein Glatzkopf dich nieder geschlagen hat. Du fragst dich, was das für Menschen sind, die so etwas tun. Die dich und   einige deiner Leidensgenossen anpöbeln und schlagen, die dort grölend stehen, mit Schildern, auf denen Parolen stehen, wie “Das Boot ist voll“, und von Angst demnächst nur noch in der Moschee beten  zu dürfen. Von Sorge um ihre Kinder ist da die Rede und von Wirtschaftsflüchtlingen, „die Deutschen würden verdrängt“ heißt es.

Und du verstehst es aber nicht, denn willst keinem Kind etwas tun, und auch niemanden verdrängen. Du bist doch erst Vierzehn, und verstehst noch nicht mal ihre Sprache richtig. Nur die Paar Brocken, die du aufgefangen hast. Du bist vor einem entsetzlichen Krieg aus deiner Heimat geflohen. Deine Eltern und Großeltern kamen dabei um. Nur die große Schwester ist dir geblieben, und das, was du am Leibe hast. Die meisten deines Heimatdorfes haben Bomben und der IS getötet.

Alles, was du möchtest, ist leben. Menschenwürdig leben.
Aber nun siehst du verstört und mit blutender, schmerzender Nase auf diese Leute, und fragst dich, was das für Menschen sind.
Nun, sie nennen sich „besorgte Bürger“, ja auch der, der dich vorhin getreten hat, der keine Glatze hat, und so normal aussieht. Sie sorgen sich um die Zukunft des Landes, wie du schon gemerkt hast. Sie sind besorgt um ihre Kinder, wenn hier Flüchtlinge leben(warum auch immer).“Wir haben ja nicht s gegen Ausländer, und natürlich muss man die Flüchtlinge aufnehmen, aber doch nicht hier.“

Du bist verstört, denn du bist vor Krieg, und Gewalt geflohen, und bist nun wieder Hass und Gewalt ausgesetzt.
Ein Stückchen weiter geht ein Zelt in Flammen auf. Der Mann, der die Fackel geworfen hat, wirkt wie ein ganz biederer normaler Familienvater. Er hat durchaus ein freundliches Gesicht. Würde man sich an einem Sommerabend in der Siedlung begegnen, könnte man sicher ganz nett mit ihm reden, und sich für später zum Grillen verabreden.

Aber es gibt da auch noch andere, die wirklich nett sind, die Kleidung, Medikamente, Lebensmittel und Spielsachen ins Camp bringen. Und dort drüben stehen welche und demonstrieren gegen die „besorgten Bürger“. Sie fordern, ihr sollt hier willkommen sein, und Nazis Raus stehen auf einigen Schildern. Siehst du, dort, die, die jetzt von Polizisten zurück gedrängt und zum Teil nieder geknüppelt werden. Und das verstört dich nur noch mehr.
Aber weißt du, das ist Politik. Den Mächtigen  kommt es entgegen, das sich ihre Bürger lieber an deinesgleichen abarbeiten, als sich mit denen zu beschäftigen, die wirklich für die Missstände verantwortlich sind. So wahren sie ihre Macht. Darum helfen sie mit, Vorurteile gegen euch zu schüren.

Von einem Freund hast du gehört, das der Krieg   in deiner Heimat, vor dem du geflohen bist, , von der Regierung dieses Landes unterstützt wurde, und das dies Land mit die meisten Waffen in diese Region geliefert hat.Aber die Flüchtlinge , die man auf diese Weise erzeugt hat, wollen sie jetzt nicht haben?, fragst du dich. Du wärst ja auch lieber in deiner Heimat geblieben, wenn du gekonnt hättest.

Das Zelt, das angezündet wurde, gehörte einer Gruppe Afrikaner. Einer von ihnen ist Moussa ,20 Jahre alt. Sein Vater besaß eine kleine Geflügelzucht, von der sie grade leben konnten. Doch zunehmend wird sein Land von Billig-Geflügel aus Europa überschwemmt. Mit diesen Preisen konnte er nicht mehr mithalten, und ging schließlich pleite. So ging es auch vielen anderen in seinem Land, deren Existenz so zerstört wurde. Sein Land hat ein Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen ,erzählt er, das ihm verbietet mit Zöllen die europäischen Waren zu verteuern, und somit fairere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Viele sind in diesem Zeltlager, denen es so ging, wenn sie nicht vor dem Krieg geflohen sind.
Moussas Vater war zu alt für diese Reise. Er aber, beschloss nach Europa zu gehen, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen, und Geld nach Hause zu schicken.

Ein halbes Vermögen hatte er einem zwielichtigen Mann bezahlt, um einen Platz auf einem schäbigen Schiff zu ergattern, das ihn über das Mittelmeer brachte.
Fast wäre das Schiff gesunken. Dreißig Mann gingen über Bord und ertranken. Todesängste hat Moussa ausgestanden, so wie du auf deiner Flucht, an die du dich jetzt wieder erinnerst.
Schließlich kam er in Italien an, und wurde auf Schleichwegen nach Deutschland gebracht, wofür sie ihm noch fast sein ganzes letztes Geld abnahmen. Auch ihn hat man schon verprügelt.

Nach solchen Dingen, oder nach den Gründen, warum ihr fliehen musstet, fragen die „besorgten Bürger“ nicht, denn dann müssten sie die eigene Regierung hinterfragen, und deren Politik, die dafür sorgt, das so viele Menschen wie du und Moussa ihre Heimat verlassen müssen.

Das Feuer ist nun verlöscht, die Demonstranten weitgehend abgezogen. Es kehrt Ruhe ein, aber jetzt kommt ein örtlicher Staatssekretär, begleitet von einem Fernseh -Team. Er lächelt in die Kamera , und versichert, das seine Regierungen die Ausschreitungen  zutiefst verurteilt. Nein, man wird nicht alle Flüchtlinge aufnehmen können, und einige werden wieder zurück gehen müssen, aber man will die Asylverfahren beschleunigen, damit man schneller weiß ,ob man abgeschoben wird, oder doch bleiben darf.


Ja, da stehst du nun, und bist nicht sicher , ob du nun zur Schule gehen, und Deutsch lernen sollst, wo du nicht mal weißt , ob du bleiben darfst oder nicht. Alles was du willst ist leben, das Grauen des Krieges vergessen und vielleicht eine Zukunft hier. Warum sollte das nicht möglich sein? 

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